Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher der digitalen Ausstellung „Kunst gegen Krise“,
hiermit begrüße ich Sie recht herzlich zur zweiten Kunstausstellung in virtueller Form. Noch immer, nach gut eineinhalb Jahren, zwingt uns die Pandemie zur Nutzung dieser Darstellungsform.
In bisher drei Wellen hat uns das Corona Virus zu wesentlichen Einschränkungen unseres bisherigen Lebens genötigt. Recht unterschiedlich hat die Bevölkerung versucht diese Situation zu bewältigen. Manchen Menschen bereitete das Leben und Arbeiten unter und mit den Beschränkungen weniger Umstände und Belastung - andere hingegen litten sehr stark darunter. Mehr lesen
Die größte Last trugen die vom Virus stärker Erkrankten, die Verstorbenen und deren Angehörige, Ärzte*innen und das Pflegepersonal in verschiedensten Einrichtungen.
Von den äußerst starken Beschränkungen war auch der Kulturbereich betroffen. So entfielen beispielsweise für Musiker und Schauspieler nahezu sämtliche Auftrittsmöglichkeiten und somit ihr Einkommen. Massenhaft wurden Ausstellungen in Museen und Galerien abgesagt. Wie umgehen mit der Krise?
Diese Frage stellten sich auch die beiden Malerinnen, deren Werke wir heute hier vorstellen. Lisa van Bonn und Irina Brettmann gaben daher ihre Ausstellung das Motto „Kunst gegen Krise“. Somit beantworten sie die Krisenfrage mit ihren künstlerischen Aktivitäten.
Beide geben mit ihren Bildern zwei unterschiedliche Antworten. Lisa van Bonn stellt uns eine Bildreihe von Landschaften vor und Irina Brettmann zeigt uns eine Serie „Skyline“ – Stadt und Land.
Skyline, die Silhouette von Städten vor der Horizontlinie. Hierbei handelt es sich um markante, das Stadtbild bestimmende Bauwerke im Panorama oder in Ausschnitten. Früher kündeten Stadttore, Kirch- und Schlosstürme den herannahenden Reisenden eine Stadt an. Das 20. Jahrhundert prägte seine Stadtansichten durch Hochhäuser und Fernsehtürme. Die Skylines von New York oder Paris sind hinlänglich bekannt. Auch unser benachbartes Frankfurt weist mittlerweile eine unverkennbare Silhouette auf. Immer neue, höher und spektakulär gestaltete Hochhäuser, die Skyscrapers, scheinen an den Wolken des Himmels zu kratzen und erweitern beständig die Skylines der Städte. Insbesondere das Sonnenlicht lässt deren Fassaden sich spiegeln und glitzern. Bei Lagen am Wasser spiegeln sich deren Panoramen darin.
Irina Brettmann hat sich den Skylines angenommen. Ihre Hochhausbilder zeigen die aufragenden Gebäude, abstrahiert von konkreten Silhouetten, dennoch glaubt man das eine oder andere Gebäude zu erkennen. Die Wirkung der Bilddimensionen wird durch ihre kräftige Spachteltechnik und Farbgebung nochmals in der Bildtiefe, hier besser in der Höhe, noch reliefartig verstärkt. Irina Brettmanns farbintensive Panoramen spiegeln sich in Wasserflächen, kratzen an den Wolken, tauchen in verschiedene blaue, grün-gelbe Töne oder gar ins tiefe Rot. Ihre farbfrohen, stalakmitenartig wirkenden Gebäudefronten werden teilweise von schwebenden bunten Luftballons, einem spielerischen Element, belebt. Himmel, Wolken, Wasser sind meist die Grundlagen von Irina Brettmanns Gemälden. Mit deren Gestaltung beginnt sie ihre Bildflächen. Darin positioniert sie ihre Motive. Sie arbeitet ohne voriges Bildkonzept. Intuitiv wählt sie ihre Farben und Formen dazu – ganz nach Stimmungslage - aus.
Schon seit ihrer Kindheit zeigt Irina Brettmann künstlerische Ambitionen, doch erst mit 45 Jahren konkretisierten sich diese. Am Beginn stand der Besuch von Malkursen in der Volkshochschule. Im Vordergrund stand zunächst das „sehen lernen“, ein Gefühl für Farben und Formen zu entwickeln. Sie probierte sich in verschiedenen Arbeitsmitteln wie Bleistift, Kohle, Pastellfarbstifte, um doch recht rasch zur Malerei mit Öl- und Acrylfarben zu kommen. Kurse beim Maler Roger Richter, bei Hilde Hulverscheidt und Nicoletta Wilde in der Galerie Athanasius in Neuberg folgten. Seit 2012 ist Irina Brettmann Mitglied der Gruppe Palette.
Das Motiv „Häuser am Meer“ wird von beiden Ausstellerinnen als Bildthema interpretiert.
Lisa van Bonn setzt ihren Titel „Häuser im Meer“ gegenständlicher in vier Gemälden um. Eine fiktive „Stadt im Meer“ zu Tages- und Nachtzeit und zu unterschiedlicher Witterung. Die mittlere Horizontline ist von kubusartigen Gebäuden dominiert, davor eine spiegelglatte See und darüber wolkenloser Himmel. Blautöne bestimmen das Gemälde und verleihen ihm einen ruhigen Ausdruck.
Den konträren Eindruck vermittelt das Thema im Gemälde mit aufgewühlter See, als stürmische Variante. Die blaugrüne See wogt, die Gischt der Wellenkämme ist weiß akzentuiert. Mächtige dunkelblaue Wolkenformation und Niederschlag drücken auf die Häuserzeile und verstärken den aufgewühlten Bildausdruck.
Eine emotionale Aufgewühltheit vermittelt das Landschaftsbild mit dem blut- und feuerroten Himmel. Dieser drückt mächtig auf die sanfte Berglandschaft mit Wäldern. Die kräftigen Rottöne erzeugen einen starken Kontrast zu der kühlen blaugrünen Fläche des imaginären Sees im Vordergrund.
Die beiden Gemälde mit den Motiven „griechische Insel“ und „Toskana“ widmen sich einer Urlaubssehnsucht, die aufgrund der eingangs schon erwähnten Pandemiebeschränkungen weit verbreitet ist. Sicherlich zählt Italien und ganz besonders die Toskana mit ihren ruhigen Landschaftsformationen zu den beliebten Reisezielen der Deutschen. Das gleichnamige Gemälde zeigt uns die sanften Hügel mit den Würfelhäusern oben auf, im ruhigen milden Sonnenlicht. Der blaugelbe Himmel geht über in die grüngelbe Landschaft, um in einen strukturierten Vordergrund, wiederum in Blautönen, zu münden.
Das Bild der griechischen Insel Santorin oder Thira begegnet uns im späten Abendlicht. Der Blick der Malerin gleitet über die Häuser auf die Caldera. Die tagsüber im Sonnenlicht strahlend weiß wirkenden Häuser mit den blauen Kirchenkuppeln erscheinen nun im fahlen Abendlicht in Grautönen. Das Restlicht der längst untergegangenen Sonne färbt den Horizont rötlich gelb. Sehnsüchtiger Blick auf vergangene und künftige Reisen? Einen Ausblick gewährt den Betrachterinnen und Betrachtern auch ein gemauerter Rundbogen aus einem scheinbar alten Villengarten heraus. Durch den von Blattwerk mit Glyzinen umrankten Bogen trifft unser Blick auf einen einzelnen „Lebensbaum“ mittig im von Bergen umgebenen See im blaugrünen Wasser. Die erdigen Töne des Weges und der Backsteine sowie die Grüntöne des Blattwerks, der Farne und Flechten am Mauerwerk sind Ausdruck einer Naturverbundenheit. Die Natur, die für den Menschen lebensnotwendig ist und die er genießen und bewahren muss.
Lisa van Bonn betätigte sich schon in ihrer Kindheit zeichnerisch. Ab 2015 begann sie ihre Fertigkeiten zu schulen, zunächst in Volkshochschulkursen. Später folgten Kurse bei Kristiane Gornell, Nidderau, Brigitte van Loh-Wenzel, Altenstadt, Monika Roser, Kloster Heiligenkreuztal, sowie bei Art & Friends und der Freien Kunstakademie in Frankfurt. Neben kunsthandwerklichen Techniken wie Batik, Seidenmalerei, Töpfern, Makramee bildete sie sich weiter im Zeichnen, Collagieren, im Malen mit Pastellkreiden, Aquarell sowie Acryl- und Ölfarben und Pouring. Sie ist Mitglied beim 2006 gegründeten Kunst-Werk Hanau e.V.
Und nun wünsche ich Ihnen viel Freude und möglicherweise neue Einsichten beim Betrachten der Arbeiten von Lisa van Bonn und Irina Brettmann.
Es grüßt Sie herzlich
Beate Funck
Stadtverordnetenvorsteherin der Brüder-Grimm-Stadt Hanau